So zog sie neben ihrem eigentlichen Job als Leiterin des integrativen Kindergartens insgesamt drei Mal in das Uslarer Albert-Schweitzer-Kinderdorf und betreute vorübergehend Kinderdorfkinder. Mal dauerte dieser Aufenthalt vier Wochen, mal tauschte sie ihre eigenen vier Wände gegen die lebendige Kinderdorfatmosphäre gleich für ein ganzes Jahr. Sich allerdings vorzustellen, dauerhaft als Kinderdorfmutter tätig zu sein konnte sich Gabriele Grupe zu diesem Zeitpunkt noch nicht: „Ich hielt das fast schon für verrückt. Die Verantwortung ist enorm und man muss sich wirklich einschränken, sich aber gleichzeitig den Kindern gegenüber vollständig öffnen.“ weiß Gabriele Grupe noch zu erzählen. Ohnehin musste sie sich um die Option „Kinderdorfmutter“ keinen Kopf machen: „Ich war ja alleinstehend und damals wurden ausschließlich Paare als Kinderdorfeltern engagiert.“

Sie absolvierte eine zweite Ausbildung zur Heilpädagogin und arbeitete weiterhin im Albert-Schweitzer-Familienwerk, bloß an anderer Stelle. Erst als ein Kinderdorfelternpaar nicht mehr in ihrem Beruf tätig sein konnte, folgte Gabriele Grupe ihrem Herzen und nahm die beiden Kinderdorfkinder des Ehepaares bei sich auf. Spontan und ohne Vorbereitungszeit begann schließlich ihre Zeit als Kinderdorfmutter. Schnell wurden aus ihren zwei Schützlingen vier und kurz darauf erlebte sie einen ihrer besonderen Momente im Albert-Schweitzer-Kinderdorf: Sie war mit ihren Kinderdorfkindern im Freibad und kam durch Zufall mit ihrer Sitznachbarin ins Gespräch. Diese hatte nach dem plötzlichen Tod der Eltern ihre zwei Enkelkinder aus Jordanien zu sich genommen und suchte händeringend nach einer festen Bleibe für die Kinder. Sie selbst konnte eine dauerhafte Betreuung nicht leisten. Gabriele Grupe gab die nötigen Hinweise zur Möglichkeit einer Aufnahme und nur kurz später war ihre „erste Generation“ Kinderdorffamilie komplett. Sie und ihre Schützlinge zogen nach Uslar, wo Gabriele Grupe noch bis vor zwei Monaten mit Kinderdorfkindern zusammen lebte. Noch bis heute hält „Gabi“ – wie sie liebevoll genannt wird – einen sehr intensiven Kontakt zu ihren ersten sechs Kinderdorfkindern. Nach und nach wurden diese erwachsen und weitere Kinder kamen hinzu. Um die 30 Kinder fanden so dank Gabriele Grupe einen gefestigten Start in ihr Erwachsenenleben.

Im vergangenen Monat wurde sie vom Albert-Schweitzer-Familienwerk im Rahmen einer kleinen Feierlichkeit offiziell in den Ruhestand verabschiedet. Aus vollem Herzen resümierte sie dem Anlass entsprechend ihre Berufslaufbahn: „Ich habe es nie bereut, mein Herz doch noch für die Tätigkeit als Kinderdorfmutter geöffnet zu haben und war zu Tränen gerührt, als nach meiner offiziellen Verabschiedung auch meine ehemaligen Kinderdorfkinder sich mit einer Überraschungsparty bei mir bedankten, bei der auch viele ehemalige Kollegen auftauchten.“

Die ehemaligen Kinderdorfkinder ließen sie mit einem Oldtimer von ihrem früheren Chef, Heiner Theiß, abholen und überreichten ihr einen „Oscar für ihr Lebenswerk“. Ein Film mit Text und Fotos erinnerte an ihre Zeit im Kinderdorf. „Ihr Lieben, es war so schön! Noch immer stelle ich fest, dass ich in Gedanken an gestern lächelnd dasitze.“ schließt Gabriele Grupe die Erinnerungen an die Zeit beim Albert-Schweitzer-Familienwerk e.V. und die Abschiedsfeiern ab.