Bilder: Linus mit Kinderdorfkind Mariam und „Liebesbriefe“ aus dem Kinderdorf an ihn.

Linus (19) aus München absolvierte in unserem Kinderdorf auf den Philippinen ein dreimonatiges Praktikum und bloggte darüber. Nun ist er zurück und erzählt im Interview von seinen Eindrücken.

Drei Monate Fremde, andere Menschen, andere Kultur. Jetzt bist du zurück in Deutschland. Linus, wie geht es dir heute?
Ich bin ziemlich geschafft und müde. Ich muss meine Eindrücke erst mal verarbeiten und brauche Ruhe zum Nachdenken. Außerdem habe ich richtig Lust auf Essen und schlage mir den ganzen Tag den Bauch voll. Auf den Philippinen habe ich nur gegessen, wenn ich Hunger hatte. Ich genieße die Dusche zuhause und empfinde sie als Luxus. Nachts träume ich seit meiner Rückkehr immer vom Kinderdorf, und in den Träumen spreche ich sogar englisch.

Vor deiner Reise sagtest du, dein Praktikum würde eine win-win-Situation werden. Du gibst den Kindern etwas und sie geben dir etwas zurück. Hat sich dieser Eindruck bestätigt?
Nicht ganz. Ich habe viel mehr von den Kindern zurückbekommen, als ich geben konnte. Ich bin noch ganz erfüllt von solchen Momenten. Wie zum Beispiel die Kinder auf mich zuliefen und vor Freude hüpften, wenn ich von einem Termin auswärts zurückkam.

Was konntest du ihnen geben?
Aufmerksamkeit und Zeit! Das war es. Ich habe mit ihnen viel gespielt, ihnen Liebe und Fürsorge gegeben und Interesse gezeigt. Ich habe mit ihnen Fußball gespielt und Musik gemacht, wir haben viel gelacht. Zwischen mir und einzelnen Kindern gab es so Wortspiele, die nur wir verstanden. Da war so viel Vertrauen und vertrautes zwischen uns, dass es sich anfühlte, als wäre ich schon immer dort gewesen.

Gab es für dich schwierige Momente?
Also, am Anfang war es vor allem das Essen, das für mich sehr gewöhnungsbedürftig war. Es gab immer Reis, früh, Mittag und Abend. Man fragt dort nicht, was gibt es zum Essen, sondern was gibt es zum Reis. Manchmal waren das dann Nudeln zum Reis.

In der Gestaltung meines Praktikums war ich sehr frei. Da nimmt einen niemand an die Hand. Du musst dich selbst organisieren. Da hatte ich anfangs ein paar Schwierigkeiten, aber das hat mich persönlich weiter gebracht.

Schwer für mich war zu sehen, dass die Kinder sich viel selbst überlassen sind. Sie gehen zur Schule und dann ist Leerlauf. Eine Kinderdorfmutter ist für bis zu 30 Kinder zuständig, da bleibt keine Zeit zum gemeinsamen Spielen.

Bei uns heißt es oft, die Kinder hier seien überbehütet und würden rund um die Uhr bespaßt werden. Ist das das andere Extrem? Was meinst du?
Naja, das stimmt schon. Weil kein Erwachsener für die Freizeit zuständig ist, sind die Kinder auf den Philippinen frei und sehr selbstständig. Schon Dreijährige bewegen sich allein im Dorf und kommen damit gut klar. Die Kinder sind allgemein gut drauf. Die Kleinen werden von den Größeren betreut. Mein Eindruck ist, dass die Kinder auf den Philippinen fröhlicher sind, mehr lachen.

In deinen Erzählungen wird immer wieder deutlich, wie sehr du das Zusammensein mit Kindern genießt. Könntest du dir vorstellen, beruflich in diese Richtung zu gehen?
(Überlegt eine Weile) Hm, eigentlich habe ich ja schon Pläne. Ich will Physik studieren. Da müsste ich echt darüber nachdenken. Also, wenn das mit Physik nichts wird, wäre ein Beruf mit Kindern auf jeden Fall eine Option.

Hättest du vorher gedacht, dass die Kinder so dein Herz berühren werden?
Nein! Ich dachte, ich gehe dahin, mache mein Praktikum und dann gehe ich wieder nach Hause.

Welche Eigenschaften haben dir beim Praktikum geholfen? Was empfiehlst du anderen Praktikanten?
Ganz wichtig ist, dass man offen ist und ein positiver Mensch. Man muss kontaktfreudig sein und spontan. Mit Englisch kommt man gut durch.

Würdest du es wieder tun?
Ja. Ich werde sogar  schon nächstes Jahr hingehen in den Semesterferien, am liebsten mit einem Freund.

Und wie geht es jetzt bei dir weiter?
Bis Studienbeginn möchte ich arbeiten und danach unbedingt noch reisen. Das Praktikum war meine erste große Reise allein, und das werde ich nicht mehr vergessen. Es hat mich sehr geprägt und mir gezeigt, wie gut wir es haben. Ich finde, ein Praktikum in den Philippinen ist eine gute erste Reise für einen jungen Menschen.

Danke Linus! Wir danken dir sehr für deinen Einsatz und dein Engagement. Es war toll, mit so einem motivierten, fröhlichen, interessierten jungen Menschen zusammenzuarbeiten.

Das Interview führte Ulrike Seifart, Öffentlichkeitsarbeit, Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke