Welche Idee steckt hinter dem „familienhaus“-Modell?

Wir erleben immer wieder, dass sich Lebenssituationen in Familien so entwickeln, dass das Jugendamt das Kindeswohl nicht mehr gewährleistet sieht und die Unterbringung des Kindes / der Kinder in unseren Kinderdorffamilien oder anderen Einrichtungen veranlasst. Darunter gibt es durchaus Familien, die die Bereitschaft haben, aktiv an Veränderungen zu arbeiten und eine intensive Unterstützung zulassen würden. In unserer bisherigen Arbeit haben wir immer wieder erlebt, dass es Eltern gibt, die am liebsten mit in die Kinderdorffamilie ziehen würden und ebenso viel Unterstützung brauchen wie ihre Kinder. Hierzu gehören auch Eltern mit geistiger Beeinträchtigung. Daraus ist im engen fachlichen Austausch mit dem Jugendamt Spandau die Idee geboren, für die ganze Familie einen Ort zu schaffen, wo sie leben und gleichzeig engmaschig in ihrer Erziehungskompetenz unterstützt und gestärkt werden.

Wie sieht das Angebot im Detail aus?

Die Familien können zeitlich begrenzt in das familienhaus ziehen. In dem Projekt sind rund um die Uhr sozialpädagogische Fachkräfte tätig, die sowohl die Versorgung und altersgerechte Förderung der Kinder im Blick haben als auch die Erziehungsverantwortung der Eltern ernst nehmen und sie in dieser Aufgabe begleitend unterstützen. Im familienhaus arbeiten die Pädagogen unmittelbar an der Aktivierung der elterlichen Ressourcen. Bei hinreichender Aktivierung der Erziehungsfähigkeit und Alltagsorganisation der Eltern zieht die Familie wieder in ihren eigenständigen Haushalt, ggf. mit ambulanter Anschlusshilfe.

Welche und wie viele Familien erfahren hier Hilfe?

Wichtigste Voraussetzung für den Einzug und die Hilfe im familienhaus ist die Bereitschaft der Eltern zu aktiver und verbindlicher Beteiligung. Für Eltern, die durch Behinderung bedingte Einschränkungen in der Organisation des Erziehungsalltages aufweisen, besteht durch das familienhaus die Möglichkeit, weiter mit ihrem Kind zusammenzuleben. Es können bis zu neun Familien betreut werden. Das Angebot richtet sich vorrangig an Spandauer Familien, steht aber auch anderen Berliner Bezirken offen, wenn Plätze frei sind.

Wie sieht der konkrete Alltag, das pädagogische Konzept aus?

Die Familien wohnen in den familienhaus-Wohneinheiten. Sie gestalten dort ihren Familienalltag. Jede Familie hat eine Bezugsbetreuerin, die gemeinsam mit den Eltern einen Wochenplan erstellt, der ihnen dabei hilft die Übersicht zu behalten. Es werden entsprechend der Hilfeplanung kleinteilige Zielstellungen für die Stärkung der Erziehungskompetenz festgelegt und regelmäßig in den Gesprächen reflektiert und modifiziert, entsprechend des Zuwachses an familiären Ressourcen und Kompetenzen. Bei Eltern mit Behinderung kann es auch darum gehen, Eltern einen Teil der Erziehungsaufgabe abzunehmen, aber immer nur so viel wie unbedingt nötig. Eigenständigkeit soll von den Eltern erreicht werden und wird durch praktische Übungen, Bildungsangebote, Reflexionsgespräche und familientherapeutische Angebote gefördert. Alle Eltern sind zur Teilnahme an den wöchentlichen Gruppentreffen verpflichtet. Die Eltern lernen sich untereinander kennen und tauschen sich unter fachlicher Anleitung über ihre Erfahrungen im Lebens- und Erziehungsalltag aus. Sie erfahren, dass sie mit ihren Fragen und Schwierigkeiten nicht alleine sind, sich aber auch durch das Teilen von „Erfolgsgeschichten“ gegenseitig unterstützen können. Spezielle Situationen können in Rollenspielen nachgespielt werden, um sich in das Erleben der jeweils anderen Familienmitglieder hineinversetzen zu können und veränderte Kommunikations- und Handlungsstrategien auszuprobieren. Die Kinder werden aktiv an allen Prozessen altersgerecht beteiligt: Familiengespräche, familientherapeutische Sitzungen, Hauskonferenzen, gemeinsame Ausflüge oder Feiern der Hausgemeinschaft.

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