Ein Wochenende hinterm Deich

Die Landherberge in Kienitz, ein umgebautes ehemaliges Schulgebäude, bot alles, was unsere Kinder und Jugendlichen suchten. Schöne Schlaf- und Gemeinschaftsräume, ein Grundstück zum Toben, Entspannen, Spielen und Gelegenheit für Sport, Grillen und Lagerfeuer. Sowie eine Küche, die mit reichlich einheimischen und wohlschmeckenden Mahlzeiten für unser leibliches Wohl sorgte. 

Gleich am ersten Abend zeigte uns ein Ortskundiger die Ortschaft. Kleine hübsch hergerichtete Landhäuser mit natürlich angelegten und gut gepflegten Gärten – alles einfach und man spürte den beschriebenen Zusammenhalt der Bewohner. Einige Stellen erinnern noch heute daran, dass hier am 31. Januar 1945 die ersten sowjetischen Panzer über die Oder setzten und es in der Folge in dieser Gegend heftige Kämpfe und Zerstörungen gab. Die Kirche neben der Herberge wurde erst 2012 komplett rekonstruiert und ist nun eine Radfahrer-Kirche. Mit gutem Grund, denn durch Kienitz hindurch führt der Oder-Neisse Radweg, auf dem man von Tschechien bis an die Ostsee radeln kann. 

Wir liefen Freitag und Samstag immer wieder den Deich entlang, mal gen Norden, mal gen Süden. Es ist die Ruhe, die auch die Kinder überwältigt, dann die Sonne über den vielen Wasserarmen, die von weiten Wiesen und ausgedehnten Schilfgürteln umschlossen werden.

Laut und lebhaft zogen wir übern Deich. Anfangs gab es Murren wegen des langen Laufens, doch bald ließen sich Groß und Klein darauf ein und jedem von uns erschloss sich die Schönheit dieses Landstriches auf jeweils eigene Weise.

Den ganzen Samstag waren wir Gäste des Naturhofes Uferloos. Dort durften die Kinder mit Feuer werkeln. Sie gingen mit Freude über Stunden darin auf, aus einem Holzscheit einen Gebrauchsgegenstand zu brennen. Durch beständiges Blasen hielten sie die Kohleglut auf einem Holzscheit so lange am Glimmen, bis die Glut eine Kuhle in das Holz gebrannt hatte und eine Schale daraus entstanden war. Nachdem sie gründlich geschmirgelt wurde, konnten die Kinder schließlich einen kleinen Hausgegenstand mitnehmen.

Keiner von uns Pädagogen hätte gedacht, dass unsere Kinder derart konzentriert dabei bleiben würden: In Rauchschwaden gehüllt und blasend über ihrem Werkstück, welches sich unter ihren Händen zu kleinen Kunstwerken verwandelte.

Mit ihren Taschenmessern konnten sie schnitzen oder sie schossen mit Pfeil und Bogen. Andere Kinder bereiteten von den vielfältigen Kräutern und Früchten dieses Naturerlebnishofes kleine Speisen und Getränke. Wer kennt schon noch Holunderbeerensuppe oder weiß um den Geschmack von Kapuzinerkresseblüten? 

Am Nachmittag nahmen uns die Naturpädagogen mit auf die Oderwiesen und spürten mit uns den Geräuschen des Windes nach. Die natürlichen Materialien der Umgebung regten dazu an, kleine Kunstwerke zu bauen: ein Blumenast, eine Zauberhöhle oder kleine formschöne Zweigkonstruktionen mit Blumen- und Grasschmuck. Auch hier waren wir wieder erstaunt, mit welcher Hingabe sich die Kinder auf diese Naturerfahrung einließen, dazu noch bei frischem, bissigem Wind und vereinzelten Nieselschauern. In der Dunkelheit versammelten wir uns wieder auf dem Naturhof, diesmal in einer großen offenen Jurte und wieder am Feuer. Die Naturpädagogen erzählten viel Interessantes über Fledermäuse und alle konnten eine echte Fledermaus hören, sehen und streicheln. Auch das war ein Erlebnis. Auf dem Rückweg kamen die Taschenlampen zum Einsatz und der Deich bekam etwas Gespenstiges.

Am Sonntag machten wir in zwei Gruppen eine Bootstour über die Oder. Von einem Motorsportboot aus konnten wir an den Uferböschungen entlang viele Wasservögel beobachten und sogar einen Fischadler jagen sehen. An den kleinen Badestränden standen Pferde und Kühe oder saßen polnische Angler. Der Kapitän ging zur Freude der Jungs auch schon mal rasant auf Tempo und in die Kurven. 

Was neben den Holzkunstwerken von allen mitgenommen wurde, sind die Naturerfahrungen dieser einmalig schönen Landschaft, die Freundlichkeit der dort lebenden Menschen und der Rauch in den Kleidern und Haaren; zwei Tage und Nächte saßen wir an Feuern. 

Von einigen Kindern wurden wir angesprochen, dass die Reise im nächsten Jahr aber länger gehen müsse.

Einen großer Dank senden wir an dieser Stelle an die „Kocher Stiftung für Naturschutz sowie Kinder- und Jugendhilfe“ und die Spender/innen, die durch die Firma TOP-Immobilien auf unsere Kinderdorfreise aufmerksam wurden. Mit Ihrer finanziellen Hilfe konnten unsere Kinder dieses schöne und für sie wichtige Wochenende erleben.