Wir haben einen Krieg mitten in Europa. Menschen, die nur wenige Flugstunden von uns entfernt leben, müssen um ihr Leben und ihr Zuhause bangen, darunter auch 7,5 Millionen Kinder. Zahlreiche Menschen sind auf der Flucht. Die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke stehen solidarisch an ihrer Seite, leisten praktische Hilfe – und erinnern an die Weckrufe Albert Schweitzers, der sich bereits vor 70 Jahren für Abrüstung und Frieden einsetzte.

„Nur das Denken, in dem die Gesinnung der Ehrfurcht vor dem Leben zur Macht kommt, ist fähig, die Zeit des Friedens in unserer Welt anbrechen zu lassen“, sagte Albert Schweitzer. Er, der Pazifist, der sich eigentlich nie öffentlich zu politischem Geschehen äußern wollte, stellte in den 50er Jahren die Friedensfrage ins Zentrum seiner Gedanken. Schweitzer nutzte – nach anfänglicher Zurückhaltung – vor allem seine Nobelpreisrede 1954 über Das Problem des Friedens in der heutigen Welt“, um vor der Atomgefahr zu warnen. Es folgte noch im gleichen Jahr sein „Appell an die Menschheit“ über Radio Oslo. In weiteren Rundfunk- Appellen erhob er seine Stimme. Nicht leidenschaftliche Anti-Kriegspropaganda, sondern die Stimme der Vernunft brachte er zu Gehör.

Er blieb dabei hoffnungsvoll: „In dieser Zeit, in der Gewalttätigkeit sich hinter der Lüge verbirgt und so unheimlich wie noch nie die Welt beherrscht, bleibe ich dennoch davon überzeugt, dass Wahrheit, Friedfertigkeit und Liebe, Sanftmut und Gütigkeit die Gewalt sind, die über aller Gewalt ist. Ihnen wird die Welt gehören, wenn nur genug Menschen die Gedanken der Liebe und der Wahrheit, der Sanftmut und der Friedfertigkeit rein und stetig genug denken und leben“, heißt es in seinem „Wort an die Menschen“.

2022 (und an vielen Orten der Welt auch davor, das dürfen wir nicht vergessen) herrscht wieder: Gewalt. „Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat uns alle zutiefst erschüttert“, sagt Margitta Behnke, Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen im Kriegsgebiet und auf der Flucht. Wir blicken mit großer Sorge auf das Geschehen. Dort wie hier prägen Angst und Unsicherheit die Gegenwart. Familien verlieren ihr Zuhause und werden getrennt. Es sterben Menschen. Auch Kinder. Nichts kann das rechtfertigen.“

Behnke betont: „Wir verurteilen jede Art von Krieg. Daher können die Solidarität und der Zusammenhalt für die Ukraine nicht groß genug sein. Schweitzer war der Überzeugung, ‚dass wir das Problem des Friedens nur dann lösen werden, wenn wir den Krieg aus einem ethischen Grund verwerfen, nämlich weil er uns der Unmenschlichkeit schuldig werden lässt‘. Genauso ist es: Krieg ist unmenschlich. Dieser – und jeder andere. Deshalb müssen wir alle für den Frieden eintreten. Für die Menschlichkeit.“

Die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke bekundeten in den vergangenen Tagen nicht nur verbal ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, sie wurden auch aktiv, um ihnen ganz konkret zu helfen:

So unterstützt das Kinderdorf in Waldenburg (Baden-Württemberg) bereits seit vielen Jahren ein rumänisches Kinderheim nahe der rumänisch-ukrainischen Grenze, in dem Geflüchtete aus dem Kriegsgebiet jetzt eine erste Anlaufstelle finden. „Es gibt dort 20 Übergangs-Plätze für Frauen, Kinder und ältere Menschen“, berichtet Kinderdorf-Vorstand Wolfgang Bartole. Das Waldenburger Kinderdorf finanziert Lebensmittel und Hygieneartikel für die Geflüchteten.

Das Berliner Kinderdorf hat die ukrainische Familie einer Kinderdorfmutter, die es bereits nach Polen geschafft hatte, nach Berlin geholt und sicher in zwei vereinseigenen Apartments untergebracht. Das Sozialwarenhaus Soproro stattete sie kurzerhand mit dem Nötigsten aus. Auch das Familienwerk in Sachsen-Anhalt plant, Geflüchtete aus der Ukraine bei sich aufzunehmen. Ein aktuell leerstehendes Kinderdorfhaus soll Menschen in Not zur Verfügung gestellt werden.

Weitere Mitgliedsvereine unseres Verbandes unterstützen – beispielsweise als Sammelstelle für Sachspenden wie Schlafsäcke, Windeln und Babynahrung (Kinderdorf Sachsen) – lokale Hilfsaktionen und -Transporte in ihrer Region. Oder starten sogar eigene: Das Familienwerk Brandenburg bereitet aktuell eine große Sammelaktion mit anschließendem Konvoi vor. Geschäftsführer Kai Noack wird persönlich an die ukrainische Grenze fahren.

Besonders berührend: Kinder aus dem Familienwerk Rheinland-Pfalz / Saarland haben sich entschieden, einen Teil ihres Taschengeldes zu spenden, um davon Hygieneartikel für die Menschen in der Ukraine zu kaufen.

***UPDATE***

Die „Familie Hans Schaeff – Stiftung“, die stark vom Wirken unseres Kinderdorfes in Waldenburg geprägt ist und zu deren Schwerpunkten die Förderung von Kindern und Jugendlichen zählt, hat eine großzügige Spende an den Bundesverband der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke auf den Weg gebracht, um gemeinsam geflüchteten Kindern und ihren Angehörigen zu helfen. Der Bundesvorstand hat beschlossen, diesen Hilfsfonds noch einmal um 5.000 Euro  aufzustocken. Unsere Mitgliedsvereine können damit ab sofort pauschal und formlos Gelder für direkte Hilfsmaßnahmen beim Bundesverband beantragen. 

Wir alle hoffen, dass der Krieg bald endet und endlich Frieden einkehrt. In Europa – und in der ganzen Welt. Die Worte Albert Schweitzers haben nichts an Aktualität eingebüßt: „Das Ziel, auf das von jetzt bis in alle Zukunft der Blick gerichtet sein muss, ist, dass völkerentzweiende Fragen nicht mehr durch Kriege entschieden werden können. Die Entscheidung muss friedlich gefunden werden.“

Sabrina Banze, Bundesverband

Melissa ist 18 geworden

Foto: Albert-Schweitzer-Zentrum Frankfurt
Quellen: https://albert-schweitzer-heute.de/ueber-albert-schweitzer/friedensmahner/ und  https://albert-schweitzer-heute.de/mein-wort-an-die-menschen-albert-schweitzer-1964/