Ein Generationenwechsel steht an im Kinderdorfhaus „Nordlicht“ des Albert-Schweitzer-Familienwerks Mecklenburg-Vorpommern: Rita Bohn und ihr Mann Ronald gehen in diesem Sommer nach 13 Jahren als Hauseltern in den Ruhestand. Der Verein sucht nun dringend neue Hauseltern, um die Zukunft der sieben Kinder, die hier leben, zu sichern.

„Mein ganzes Leben ist hier“, sagt Rita Bohn und lässt ihren Blick durch das Kinderdorfhaus schweifen. Der bevorstehende Abschied fällt ihr entsprechend schwer – und rückt doch immer näher. Während wir uns unterhalten, packen ihr Mann und einer der erwachsenen Söhne des Paares, selbst als Fahrer beim Familienwerk angestellt, erste Umzugskartons ins Auto.

Rita Bohn war bereits dabei, als das „Nordlicht“ 2007 eröffnet wurde. Die gelernte Heimerzieherin hat das Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern mit aufgebaut, war viele Jahre ehrenamtlich im Vorstand aktiv. Als sie 2010 gefragt wurde, ob sie nicht jemanden für die Leitung des Kinderdorfhauses am Sitz des Vereins in Wolgast kennen würde, entschied sie sich, den Job selbst zu machen – gemeinsam mit ihrem Mann.

„Zweieinhalb Jahre haben wir im Erzieherzimmer gelebt, weil die Hauseltern-Wohnung noch nicht frei war“, erinnert sich Rita Bohn an die Anfänge. Sechs Kinder waren damals im „Nordlicht“ untergebracht. Eines von ihnen ist heute immer noch da: die inzwischen 16-jährige Jana*. Mittlerweile ist sie das älteste der „Nordlicht“-Kinder. Ihre „Kinderdorfgeschwister“ sind 7, 9, 12, 13 und 14 Jahre alt.

Viele Lebens- und Familiengeschichten hat Rita Bohn in 13 Jahren als Hausmutter mitbekommen. Sie könnte stundenlang davon erzählen – von schönen Momenten ebenso wie von tragischen Schicksalen. Kein Kind hat sie vergessen. Zu vielen ehemaligen Schützlingen hält sie bis heute Kontakt. Vom Hilfesystem würde sie sich wünschen, dass auch die Eltern der Kinder mehr Unterstützung erfahren. Auf das, was sie – gemeinsam mit den Erzieher*innen und langjährigen erhenamtichen Begleiter*innen – für die Kinder verändern konnte, ist sie stolz.

„Jeder Tag hat neue Herausforderungen gebracht“, sagt die 63-Jährige, die immer schon Heimerzieherin werden wollte und sich diesen Wunsch nach diversen beruflichen Stationen erfüllt hat. Leicht und unbeschwert sei der Arbeitsalltag in ihrem Traumberuf eher nicht gewesen. Dennoch betont die Mit-Gründerin des Familienwerks: „Ich würde es immer wieder so machen.“ Und fügt hinzu: „Ohne meinen Mann wäre vieles nicht möglich gewesen.“

Gemeinsam mit ihm wird Rita Bohn nun bald wieder ganz im eigenen Haus der Familie auf der Insel Usedom wohnen. Sie hofft, dass sich bis dahin neue Hauseltern für das „Nordlicht“ gefunden haben. Denn die sieben Kinder, die aktuell hier leben, brauchen eine gesicherte Perspektive. Gerade kommen die Jüngsten aus der Schule nach Hause. Rita Bohn setzt sich mit ihnen an den großen Küchentisch, lässt sich erzählen, wie ihr Vormittag war und welche Hausaufgaben nun anstehen. Noch ist sie mittendrin im Kinderdorfhausalltag.

Nebenan, in den Büroräumen des Familienwerks, ist Geschäftsführerin Inka Peters derweil intensiv damit beschäftigt, den Übergang im „Nordlicht“ bestmöglich vorzubereiten. Sie ist dankbar für all das, was Rita Bohn für den Verein und die ihr anvertrauten Kinder geleistet hat. Für Wehmut bleibt ihr allerdings kaum Zeit: Die Personalsuche ist ohnehin seit Jahren herausfordernd – und die Zeit drängt immer mehr.

Ein anderes Kinderdorfhaus, der nahegelegene „Heimathafen“, steht zurzeit bereits leer, weil noch keine Hauseltern gefunden werden konnten. Zwei der „Heimathafen“-Kinder sind im vergangenen Frühjahr zu Rita Bohn ins Haus „Nordlicht“ umgezogen. Nun braucht Peters auch hier neue Hauseltern, um das für die Kinder so wertvolle familienanaloge Konzept weiterführen zu können und nicht auf eine Schichtdienstgruppe mit immer neuen Bezugspersonen umstellen zu müssen. Deshalb setzt sie weiter alles daran, geeignetes Fachpersonal zu finden – für beide Kinderdorfhäuser.

Interessierte, die eine pädagogische Ausbildung mitbringen, können sich jederzeit an das Familienwerk wenden.

Sabrina Banze, Bundesverband

Fotos: Konstantin Börner

*Name zum Schutz des Kindes geändert