Hösbach. 75 Schüler besuchen derzeit die Ganztagsschule, die seit diesem Schuljahr im Hanns-Seidel-Gymnasium Hösbach (HSG) integriert ist. Für zwei fünfte und eine sechste Klasse endet der Schultag erst um halb Fünf. Die Kinder »leben« also an der Schule. Deshalb muss nachmittags eine Balance zwischen Unterricht, Hausaufgaben und Freizeit gefunden werden. Dafür sind am HSG »Schulsozialarbeiter« eingesetzt.

Ute Schubert ist eine von zwei Sozialpädagoginnen des Albert-Schweitzer-Familienwerks Bayern, die 23 Wochenstunden Schulsozialarbeit leisten. Diese beginnt in der Regel mit dem Mittagessen nach dem Vormittagsunterricht gegen 13 Uhr. Schon an der Essensausgabe ist Schubert beteiligt.
Hier wie während ihrer gesamten Arbeit fungiert sie zwar auch als Aufsicht. Aber bereits beim Essen versteht sie sich als eine, die nach dem mitunter belastenden Unterricht erstmal die Kinder »runterbringt«. Oder mit ihnen über Probleme spricht – in der Schule, in der Familie, im Freundeskreis.
Nach der einstündigen Mittagspause beginnen Intensivierungs- und Arbeitsstunden – hier wird, angeleitet von Lehrern, das erledigt, was an der Halbtagsschule Hausaufgaben heißt. Oder es beginnt klassischer Unterricht – meist werden Sport- oder Kunststunden auf den Nachmittag gelegt. Oder es beginnen die so genannten Neigungsgruppen.

»Gelenkte Freizeit«
Diese doppelstündigen Blöcke versteht man am Ganztagsgymnasium als »gelenkte Freizeit«. Hier geht es lockerer zu als im Unterricht, dennoch ist das Angebot klar strukturiert und vor allem: nicht von einem Bildungsauftrag befreit. Die Neigungsgruppen leiten auch die Sozialarbeiterinnen. Das Angebot ist vielfältig: Modellbau, Brettspiele, Instrumentalunterricht, Tischtennis, Bienenzucht, Kochen, Lesen, Tierschutz oder Chor.
Was ist nun der Unterschied dieser Neigungsgruppen am Ganztagsgymnasium zu herkömmlichen Zusatzangeboten am Halbtagsgymnasium? Die Neigungsgruppen sind im Stundenplan verankert. Und sie werden meist von Sozialpädagoginnen und nicht von Lehrern geleitet.
Das Zauberwort heißt »ganzheitliche Förderung«: Die Schulsozialarbeiterinnen versuchen, die Vermittlung von Schulwissen, »soziales Lernen« und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu verbinden. Ute Schubert sagt: »Schulsozialarbeiter und Lehrer haben grundsätzlich ein anderes Verhalten.« Schwerpunkte der Sozialpädagogen liegen auf der individuellen Förderung der Schüler und auf der Anregung musischer, kultureller und sozialer Interessen.
Die Kinder sollen die Schule eben auch als Lebensraum begreifen: Nicht nur Vokabeln, Grammatik und Formeln werden hier gepaukt; sondern auch Gemeinschaftsgeist, kommunikative Fähigkeiten und Eigenverantwortlichkeit vermittelt. Das unterscheidet die Arbeit der Schulsozialarbeiterinnen auch von hergebrachter Nachmittagsbetreuung, in der es in erster Linie um Aufsicht und Hausaufgabenbetreuung geht.

Entspannungsübungen
Um dies leisten zu können, müssen die Sozialpädagoginnen ihren Bereich mit dem der Lehrer verzahnen: So nehmen sie an den Besprechungen der Lehrer teil, tauschen sich über die Entwicklung einzelner Schüler aus und fahren auch mit ins Schullandheim.
Ein weiterer Baustein in der Schulsozialarbeit: Entspannungs- und Konzentrationsübungen. Denn nach dem Essen brauchen die Kinder erstmal eine Auszeit. Dafür stehen Bälle, Tischtennisschläger oder Gesellschaftsspiele bereit. Zweimal in der Woche bietet Ute Schubert zusätzlich »Phantasiereisen« an.

Gemütliche Höhlen im Klassenraum
Jungen und Mädchen sind in diesen Entspannungsübungen getrennt. Die Jungs ziehen es vor, sich zwischen den Tischen im Klassenraum aus Isomatten und Kuscheldecken gemütliche Höhlen zu bauen. Nach einer Weile kehrt Ruhe ein und die Reise beginnt: Schubert liest Geschichten vor, die in eine andere Welt entführen: »Lasse alle aus dir heraus fließen … Beschreite den Pfad, der dich in den Regenwald führt … In deinem Innern steigt eine Lotusblüte auf…«
Wer glaubt, die Jungs fingen nun an, zu kichern, täuscht sich: Eine Viertelstunde lang ist es mucksmäuschenstill.
Irgendwann kriechen die Jungs aus ihren Höhlen heraus und bestätigen voller Überzeugung: »Eine schöne Reise. Wir sind entspannt.« Danach fällt der Sportunterricht viel leichter.

Jens Raab