Vor 25 Jahren fiel in Berlin die Mauer – Deutschland war wiedervereint. Für die Kinder- und Jugendbetreuung in den neuen Bundesländern bedeutete das eine Zäsur. Bisher galt sozialistische Heimerziehung als das Mittel der Wahl. Mit der Wende war es plötzlich möglich, Kinderdörfer aufzubauen und damit vernachlässigten Kindern das Leben in einer Familie zu ermöglichen. Das Zusammenwachsen der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke in Ost und West zeigt, wie Solidarität Grenzen vergessen macht und dort Brücken baut, wo vorher Mauern waren. Am 8. November in Berlin erzählt der Verbund seine bewegte Geschichte und freut sich auf Besucher aus der ganzen Welt.

„Das tritt nach meiner Kenntnis…ist das sofort, unverzüglich.“ Mit diesen Worten von Günther Schabowski fiel die Mauer und der Weg zur deutschen Wiedervereinigung war bereitet. Damit begann auch in der Kinder- und Jugenderziehung der ehemaligen DDR eine neue Zeitrechnung: Wo bisher Heimerziehung nach sozialistischen Prinzipien angesagt war, boten sich nun vielfältige, innovative Möglichkeiten der Betreuung für Kinder, die nicht in ihren eigenen Familien aufwachsen können. Ein im Westen bereits seit 1960 etabliertes Modell sind die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer, in denen Eltern Pflegekindern eine Familie und damit Liebe und Geborgenheit geben.

Schon vor der Wende hatten engagierte Menschen in der DDR von Kinderdörfern als moderner und kindergerechter Alternative zur Heimerziehung geträumt. Die Umsetzung dieses Traums scheiterte jedoch an der sozialistischen Erziehungspolitik. Mit dem Umbruch bot sich plötzlich die Chance, den Kinderdorfgedanken auch im Osten zu realisieren. So dauerte es nach der Wiedervereinigung nur wenige Wochen, bis Interessengemeinschaften sich voller Tatendrang daran machten, ihre vom Geiste Albert Schweitzers inspirierten Ideen zu verwirklichen.

Eine Idee lässt Geteiltes zusammenwachsen

Doch wie sollte das alles funktionieren? Es fehlte an Kapital und ganz besonders an Erfahrung bei der Umsetzung des organisatorischen und pädagogischen Konzeptes der Kinderdörfer. In dieser Phase der Unsicherheit entstanden die ersten Kontakte zu den erfahrenen Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerken im Westen des Landes. Frank Richter, Geschäftsführer des Kinderdorfes in Sachsen berichtet: „Unser Verein traf im württembergischen Albert-Schweitzer-Kinderdorf Waldenburg (Baden-Württemberg) auf große Bereitschaft, dieser Idee auch in Sachsen auf die Beine zu helfen. Erst heute können wir ermessen, welche Risikobereitschaft das auch für einen „gestandenen“ westdeutschen Verein bedeutete.“ Auch die noch jungen Vereine in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern knüpften Kontakte zu Kinderdörfern aus dem Westen. Damit waren starke Partner gefunden, die mit Rat und Tat zur Seite standen und gemeinsam fand man für wirklich jedes Problem eine Lösung. Frank Richter erinnert sich gerne an diese Zeit: „Sie war von großer Hilfsbereitschaft geprägt. Diese offene und partnerschaftliche Zusammenarbeit haben wir uns bis heute erhalten.“ Im Oktober 1993 wurde die enge Kooperation auch rechtlich verankert. Die Vereine gründeten einen gesamtdeutschen Dachverband und sind seitdem organisatorisch und inhaltlich eng miteinander verflochten.

25 Jahre Zusammenhalt – ein Grund, gemeinsam zu feiern

Zum Albert-Schweitzer-Verband der Kinderdörfer und Familienwerke gehören heute zehn Vereine in Ost und West, die als gleichberechtigte Partner fachlichen Austausch und solidarische Unterstützung pflegen. Insgesamt werden in den Einrichtungen bis zu 10 000 Kinder betreut und versorgt. Dabei hat sich die Idee der Kinderdörfer bewährt. Sie bietet den Kindern Geborgenheit, Gemeinschaft, Sicherheit und beste Zukunftschancen – kurz: eine Familie.

Vom 7.-9. November feiert in Berlin die ganze Welt mit einem Bürgerfest das 25-jährige Jubiläum des Mauerfalls. Die Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke sind als glänzendes Beispiel für das Zusammenwachsen von Ost und West mit dabei. Ihre Erfolgsgeschichte zeigt, wie die gemeinsame Idee, Kindern ein Zuhause zu bieten, Grenzen vergessen machte und den Gedanken der Einheit Realität werden ließ. Auf 13 großen Videoleinwänden entlang der ehemaligen Mauer erzählt der Verband der Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke in diesen Tagen von seiner Arbeit. Am 8. November vertritt der Verband zudem seine Mitglieder und die von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen mit einem eigenen Stand am Potsdamer Platz und freut sich auf Ihren Besuch!

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