"Der Bote", Nürnberger Land – Zwei Häuser und eine Arbeit, die wegen ihrer Menschlichkeit fasziniert: Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler hatte einen Besuch der Frauen-Union und mehreren politischen Persönlichkeiten in den Albert-Schweitzer-Kinderhäusern in Rückersdorf angestoßen. Vor Ort entwickelten sich äußert angeregte Gespräche.

Was aus dem früheren Waldcafe auf der Ludwigshöhe geworden ist, ist schon eine Attraktion für sich. Die Gäste, darunter neben Marlene Mortler stellvertretender Landrat Norbert Dünkel, Bürgermeister Peter Wiesner, von der Frauen-Union unter anderem bezirksvorsitzende Christina Diener, Kreisvorsitzende Andrea Sternitzke und Ortsvorsitzende Petra Oberhäuser, waren merklich beeindruckt von dem 2001 eingeweihten, freundliche gestalteten Kinderheim des Albert-Schweitzer-Familienwerks.

Dieses „Sternstundenhaus“ beherbergt eine ungewöhnliche Großfamilie: Eine Hausmutter lebt dort mit ihrer Tochter und neun Kindern und Jugendlichen. Ein paar Schritte weiter liegt das kleinere „Sternschnuppenhaus“ mit einem Hausvater, seiner Frau, einem Sohn und vier Kindern und Jugendlichen. Frühere Befürchtungen von Anwohnern, sich mit dem Heim eine „Räuberhöhle“ vor die Haustür zu holen, haben sich nicht bewahrheitet. Die heilpädagogische Einrichtung gehört jetzt einfach dazu – ein Stück Normalität.

13 junge Menschen zwischen acht und 17 Jahren haben in dem Heim eine Ersatzfamilie gefunden. Sie leben jetzt fachkundig begleitet miteinander, nachdem sie zuvor in unterschiedlichsten Verhältnissen Schlimmes durchgemacht haben. Missbrauch, Scheidung, psychisch kranke Eltern – alle haben auf unterschiedlichste Weise den Kontakt zu ihren Müttern und Vätern verloren. Verschiedene psychische Auffälligkeiten und Entwicklungsstörungen sind die Folge. „Sie müssen sich nur vorstellen, wie es ist, wenn Ihnen eine Beziehung in die Brüche geht – das schmerzt“, erläutert Heiner Koch, Geschäftsführer des Albert-Schweitzer Familienwerks. Tiefe Einschnitt, die für das ganze Leben prägen. Deshalb sind die beiden Häuser nicht einfach nur pädagogische Einrichtungen, in denen „Offenheit herrscht und Grenzen gesetzt werden“, sondern sie bieten darüber hinaus Therapien an. „ Wir wollen hier weiter gehenden Einfluss auf die jungen Laute ausüben“, sagt Koch. Im Idealfall kehren sie sogar zu ihren Eltern zurück, die – wenn sie dazu bereit waren – selbst eine psychologische und pädagogische Betreuung bekommen haben. Für die Therapie der jungen Bewohner gibt es in den Häusern spezielle Räume, hauptsächlich findet sie aber in Alltag und rund um die Uhr statt. Dafür stehen zusätzlich mehrere Fachkräfte zur Verfügung, die sich dreieinhalb Stellen teilen.

Während der Führung durch die zwei Häuser stellten die Besucher viele Fragen, die einen tiefen Einblick in die Alltagsarbeit gaben. Zum Beispiel: Wie schaffen es die Therapeuten, auf Distanz zu bleiben, sich nicht zu sehr emotional zu verstricken? „Das ist ein ständiges Ringen mit sich selbst“, antwortet eine der pädagogischen Fachkräfte. Dafür sind aber eine solide Grundausbildung und Supersvision eine unerlässliche Voraussetzung. Ein Thema war auch das Problem, wie – lange bevor es um einen Heimaufenthalt geht – vernachlässigten oder verwahrlosten Kindern gegen den Elternwillen geholfen werden kann. „Zum Beispiel, wenn Hausärzte oder andere Kontaktpersonen Courage zeigen“, wie Koch vorschlägt. Dünkel sprach an, dass der Landkreis mehr Geld in die vorbeugenden Maßnahmen stecken will, damit möglichst wenige Kinder überhaupt erst ins Heim müssen. „Denn letztlich bleiben diese Kosten dann doch wieder bei uns hängen“, weiß der stellvertretende Landrat. Koch erwähnte auch am Rande, dass im nächsten Jahr in einer ehemaligen Villa in Rupprechtstegen ein weiteres Kinderhaus eröffnet werden soll.