Königsdorf (von Aaron Buck). Für Kinder, die nicht bei den Eltern aufwachsen können, ist es Auffangort: das Albert-Schweitzer-Familienwerk mit Kinderdörfern und betreutem Wohnen. Seit zehn Jahren gibt es den bayerischen Ableger, die Geschäftsstelle sitzt in Königsdorf. Sechzig Mitglieder, sowie 20 Kinder und ebenso viele geladene Gäste werden am Wochenende die zehn Jahre Bestehen feiern.

Die Kernidee des Familienwerkes beschreibt der Geschäftsführer Heiner Koch so:“ Kleine überschaubare Einrichtungen für Kinder schaffen, die nicht bei ihren Eltern aufwachsen können.“ In diesem Sinne betreibt der Verein in Bayern Kinderdorfhäuser wie das Albert-Schweitzer-Spessarthaus mit sechs Plätzen und Kleinheime wie das Albert-Schweitzer-Sternstundenhaus in Rückersdorf mit bis zu neun Kindern. Auch biete er intensive Kleinst-Einrichtungen, also Erziehungsstellen  mit einem oder zwei Kindern. Beim betreuten Wohnen handelt es sich um Wohngemeinschaften für ältere Jugendliche.

45 Kinder betreut
Insgesamt sind zurzeit 45 so genannte Sozialwaisen in den unterschiedlichen Einrichtungen untergebracht. Es seien unterschiedliche Gründe, weswegen Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können. Chaos, Verwahrlosung, Krankheit oder Überforderung – „alles, was so durch die Medien geht“,  sagt Diplompädagoge und Erzieher Koch.
Im Landkreis ist das Familienwerk seit 2001 Träger des Waldkindergartens in Bad Tölz, mit aktuell 19 Kindern. Außerdem bietet der Verein, in enger Zusammenarbeit, ambulante Maßnahmen an. Die „Flexiblen Hilfen“ richtet sich an Familien, die sich aktiv an das Jugendamt wenden, weil sie an der Bewältigung ihrer Lebenssituation scheitern.
„So kann zum Beispiel eine Heimunterbringung vermieden, eine akute Krise überwunden oder auch eine Heimrückführung gestemmt werden“, erklärt Koch. „Die Familie steht hier im Vordergrund“. Bei den „Erziehungsbeistandschaften„ hingegen stehe das Kind im Zentrum der Hilfestellung, die seine Eltern bei der Erziehung bekommen. Die Kleinheime und Kinderdörfer werden von Ehepaaren geführt. Das sei, so Koch, der zentrale Unterschied zu SOS-Kinderdörfern, die bis auf Ausnahmen, von allein erziehenden Frauen betrieben werden.

Pädagogen mit Leib und Seele
„Bei der Arbeit als Pädagoge muss man mit der ganzen Person, mit Leib und Seele präsent sein“, sagt er. Ein gutes Betriebsklima sei Voraussetzung, daher pflege er den Kontakt zu allen Mitarbeitern. In dieser Tradition steht das jährliche Treffen im September.
„Jeder ist wichtig und muss das Gefühl haben, dass er als Individuum zählt.“ Diese Mentalität sei der Garant für eine „liebevolle Umgebung“, die sich auf die Kinder übertragen soll. „Sie müssen mit ihren Ängsten, Wünschen und Vorlieben ernst genommen werden“, aber auch Grenzen gesetzt bekommen. Das Wichtigste sei stets die „gegenseitige Achtung“.
Das bayerische Familienwerk ist Mitglied im bundesweiten Verband der Albert-Schweitzer-Familienwerke und Kinderdörfer. Die Einrichtung in Bayern wurde am 14. Mai 1996 gegründet. Damals hatte der Bundesverband festgestellt, dass es für hilfsbedürftige Kinder in Bayern einer eigenen Stelle bedürfe. Drei Institutionen – die Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe, die Kinderstiftung Tabaluga und die Alexander Brochier Stiftung – taten sich bei der Gründung zusammen, erklärt Koch, der zu dieser Zeit stellvertretender Geschäftsführer des Inselhauses war. Nach drei Jahren Anlauf- und Orientierungsphase stieg Koch beim Inselhaus aus und wurde Geschäftsführer des Familienwerkes. „Die Parallelität hatte sich nicht bewährt“, sagte der Diplomsozialpädagoge. Inselhaus und Tabaluga schieden aus, das Familienwerk wurde „was Eigenes, wir haben bei Null angefangen. In den vergangenen Jahren hatten wir“, sagt Koch, „etwa 30 Prozent Wachstum; das spiegelt sich auch in den Kinderzahlen wieder.“ Bislang sitzt die Geschäftsstelle des Vereins im Privathaus des Familienvaters in Königsdorf, die Verwaltung ist in Bichl. Im März ist die Zusammenlegung geplant. Das neben Kochs Grundstück entstehende Haus will der Verein vom Frühjahr an als Zentrale anmieten.