„Keep going“ im Kinderdorf Waldenburg

Selbstständig werden – das beginnt in den Kinderdörfern lange vor dem tatsächlichen Auszug. Und es geht über das Lernen und Proben im Alltag hinaus: Das Kinderdorf in Waldenburg hat mit seinen Verselbstständigungswochenenden Rituale geschaffen, die den Übergang von der Jugendhilfe in ein eigenständiges Leben unterstützen. Konzipiert wurden drei Wochenenden für verschiedene Altersstufen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Ein Freitag Ende Oktober. Bei Regen machen sich fünf Jugendliche aus dem Kinderdorf mit zwei Betreuer*innen auf den Weg. Zuerst mit dem Bus, dann zu Fuß. Drei Tage werden sie auf dem Bühlersteig unterwegs sein, von Hohenberg nach Michelbach/Bilz.

„Laufend unterwegs“, so ist das erste der drei Verselbstständigungswochenenden überschrieben. Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren gehen gemeinsam mit den Pädagog*innen auf Wanderschaft. Und beschäftigen sich unterwegs mit großen Fragen: Wer bin ich? Wovon träume ich? Wo sehe ich meine Zukunft? Und auch: Wie kann ich das erreichen? Wer unterstützt mich? Was gibt mir Kraft?

Nach der ersten Ertappe und einer ersten Übernachtung stehen 19 Kilometer auf dem Bühlersteig auf dem Programm. Gestärkt von einem köstlichen Frühstück geht es früh morgens los. Laufen – und durchhalten. Natürlich mit Pausen. So wird etwa im Wald mit Naturmaterial gebaut und jeder Jugendliche findet seinen ganz persönlichen Platz für seine Lebensgeschichte. Erzieherin Monika Stüß, die eine Zusatzausbildung als Erlebnis- und Umweltpädagogin hat, beschreibt „eine ganz besondere Stimmung mit viel Offenheit und Gefühl für jeden Einzelnen in der Gruppe“. Immer wieder ist Zeit zum Austausch, zum Erzählen oder einfach auch zum Ruhefinden. Und zum Schreiben: Alle Jugendlichen erhalten ein persönliches Wanderbuch, in dem sie ihre Gedanken festhalten können. Wichtig ist an diesem Tag auch das Ankommen und sich verwöhnen lassen am Abend mit leckerem Essen und schönen Zimmern. Sogar mit eigenem Fernseher.

Die dritte Tagesetappe: noch einmal 16 Kilometer. Gleich morgens geht es um das Thema Stärken, mit einer „Stärkendusche“ für jeden Einzelnen. Das Motto des Tages: „Keep going“, denn die Beine werden langsam müde und der Rucksack schwer. Doch mit Teekesselchen und anderen Laufspielen vergeht Kilometer um Kilometer. Und dann ist die Gruppe am Ziel. Genießt die tolle Aussicht. Und ist stolz, es bis hierher geschafft zu haben.

Zwei weitere solcher Wochenenden werden in den nächsten Jahren noch folgen. Zwischen 16 und 18 Jahren geht es konkret um den Weg in die Selbstständigkeit. Und um Perspektiven: Wo wollen die jungen Leute in zehn Jahren stehen? Nach dem Auszug werden sie sich dann wiedertreffen. Irgendwann zwischen ihrem 18. und 21. Geburtstag. Ein Wochenende, um sich auszutauschen, Fragen und Unsicherheiten anzusprechen, sich nicht allein zu fühlen. „Bei diesen Wochenenden fangen die intensiven Gespräche meist schon im Bus an“, sagt Monika Stüß.

Zurück zu den jungen Leuten vom Bühlersteig. Sie bekommen nach dem Wochenende ihre ganz persönlichen Fotos der drei Tage für ihr Wanderbuch. So können sie die Stecke und manch schöne Momente noch lange erinnern. Monika Stüß: „Es waren drei besondere Tage mit vielen wertvollen, intensiven Gesprächen im bunten Herbstwald und ich bedanke mich bei den Jugendlichen für ihr Vertrauen. Ich freue mich schon jetzt auf unser nächstes gemeinsames Wochenende.“

Monika Stüß, Kinderdorf Waldenburg