
Was würden Sie tun, wenn Sie eine Million Euro im Lotto gewinnen würden? Aufhören zu arbeiten? Reisen? Jörg und Sandra Vetter würden ein Haus kaufen und darin Kinder aufnehmen. Der Gedanke sei zumindest immer schon irgendwie da gewesen, sagt Jörg Vetter. Mit dem Lottogewinn hat es bislang nicht geklappt. Kinder wird das Paar nun aber tatsächlich bei sich aufnehmen: als neue Hauseltern im Familienwerk Mecklenburg-Vorpommern.
„Endlich haben wir tolle neue Hauseltern für unseren Heimathafen gefunden!“, verkündete Inka Peters vor einigen Wochen. Die Erleichterung darüber war der Geschäftsführerin des Familienwerks Mecklenburg-Vorpommern deutlich anzumerken. Lange hatte die Suche nach neuem Personal Peters beschäftigt. Und sie war – zumal in Zeiten des Fachkräftemangels – wirklich nicht einfach. Über ein Jahr, nämlich seit April 2022, stand das älteste der vier Kinderdorfhäuser des Vereins leer. Während Inka Peters neue Hauseltern für den Heimathafen suchte, ließ das Familienwerk die Immobilie in der Nähe des namensgebenden Wolgaster Hafens renovieren.
Mit Jörg Vetter übernimmt nun ein erfahrener Kollege die Leitung des Heimathafens. Der 53-Jährige war ursprünglich mal Metallbaumeister, hat dann aber Soziale Arbeit studiert und ist inzwischen bereits seit mehreren Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe tätig. Seine Frau Sandra (45) hat zuletzt in der Altenpflege gearbeitet. Sie ist künftig als Hauswirtschaftskraft beim Familienwerk angestellt.
Sechs Plätze sind zu vergeben
Beide freuen sich sehr auf ihre neue Aufgabe. „Die ersten Kinder können jetzt kommen. Wir sind bereit!“, sagt Jörg Vetter, als wir Ende August miteinander sprechen. Die Betriebserlaubnis für die neue Kinderdorffamilie gibt es inzwischen. Und auch das Team steht. Seit Juni wohnen die Vetters bereits im Heimathafen, sie haben Haus und Garten für die Kinder vorbereitet, die bald bei ihnen leben sollen. Jörg Vetters handwerkliches Geschick war dabei durchaus von Vorteil. Jetzt kann es jeden Tag so weit sein, dass das Jugendamt sich meldet – und es tatsächlich losgeht. „Klar sind wir aufgeregt“, geben die beiden zu. Sechs Plätze sind im Heimathafen zu vergeben. Eine Kinderdorffamilie kann schnell wachsen.
Als Familie leben
Mit dem neuen Job geht ein Stück weit auch ein privater Wunsch von Jörg und Sandra Vetter in Erfüllung: ein Familienleben. „Wir haben keine eigenen Kinder“, erläutert Sandra Vetter. „In den Jahren, in denen wir hätten Eltern werden können, waren bei uns andere Themen zu präsent.“ Die Pflege der Schwiegereltern beispielsweise, um die Sandra Vetter sich lange kümmerte. Dass das Leben einer Kinderdorffamilie herausfordernd sein kann, ist beiden sehr wohl bewusst. Einerseits durch die Erfahrungen, die Jörg Vetter in seinem Berufsleben (zuletzt in einer Wohngruppe für Sieben- bis 16-Jährige) bereits gesammelt hat. Zum anderen durch die Gespräche, die sie mit Inka Peters geführt haben. „Wir haben außerdem im Kinderdorfhaus in Rakow hospitiert, um wirklich zu sehen, was auf uns zukommt. Ein Realitätscheck quasi“, erzählt Jörg Vetter, der aus Rheinland-Pfalz stammt, während seine Frau in Mecklenburg-Vorpommern geboren ist. „Das hat mich sehr beeindruckt. Und mir auch Ängste genommen“, sagt Sandra Vetter.
Ein starkes Netzwerk
Was ihnen am Konzept Kinderdorf besonders gut gefällt: das starke Netzwerk. „Es gibt die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen und sich Rat und Hilfe zu holen.“ Den Gedanken, Kinder bei sich aufzunehmen, hatte das Paar zuvor vor allem deshalb stets wieder verworfen, weil eben dieses Netzwerk fehlte. Im Familienwerk mit seinen verschiedenen Einrichtungen haben sie genau das gefunden, was sie gesucht haben.
Fachlich sieht Jörg Vetter zudem viele Chancen, die seine Arbeit bisher nicht bieten konnte: „Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist in erster Linie Bindungs- und Beziehungsarbeit“, sagt er. „Wenn ich nach einem 24-Stunden-Dienst einen freien Tag hatte, habe ich danach gefühlt oft wieder von vorne angefangen. Ich habe die Hoffnung, dass es einen Unterschied macht, wenn ich als Hausvater anders präsent bin.“
Wir wünschen der neuen Kinderdorffamilie einen guten Start!
Sabrina Banze, Bundesverband