Seit über einem Jahrzehnt bereichert das Familienzentrum „Die Brücke“ in Berlin-Lichtenberg das Leben von Familien mit Kindern. An einem kalten Wintermorgen haben wir das Zentrum, das zum Kinderdorf Berlin gehört, besucht und wurden in den farbenfrohen Räumen herzlich empfangen. Bevor die ersten Besucher*innen eintrafen, haben wir uns mit Einrichtungsleiterin Cordula Weigel über Ziele und Relevanz des Familienzentrums unterhalten.

„Wir unterstützen Familien auf dem Weg ins Familienleben, bei allen Bedarfen, die sie haben. Und versuchen hier einen Ort zu schaffen, der wie ein zweites Zuhause ist, wo Familien ihre Freizeit verbringen können“, erzählt Cordula Weigel. „Wo sie Beratung bekommen und vor allem auch Ansprechpartner*innen haben für alle Nöte und Probleme, die sie beschäftigen – aber auch einfach Spaß haben können.“

Anja Mai hat damals mit viel Liebe und Engagement den Grundstein für das Familienzentrum gelegt und arbeitete teilweise ganz allein. Heute besteht das Team aus fünf engagierten Kolleg*innen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund und verschiedenen Professionen. „Am Anfang war das ein ganz kleines Projekt mit wenig Angeboten. Ich glaube, ganz am Anfang gab es ein Frühstück und eine Kochgruppe“, so Cordula Weigel. „Essen hat hier schon immer eine große Rolle gespielt, weil es etwas ist, das Menschen zusammenbringt. Und es kamen zum Teil Menschen aus der Nachbarschaft, aber auch Familien aus der benachbarten Kita. Nach und nach haben sich die Räume mit Leben gefüllt und unser Angebot wurde immer bunter und auch vielfältiger.“

Das Familienzentrum hat sich zu einem bunten Treffpunkt für einheimische und neu zugezogene Familien entwickelt. Das Angebot reicht von Krabbelgruppen über Babymassage bis hin zu interkulturellen Kochgruppen. Die Vielfalt der Aktivitäten soll unterschiedliche Menschen zusammenbringen und einen Ort schaffen, an dem sie sich gesehen und gehört fühlen. „Ich denke, diese Angebote für Familien haben eine ganz große Bedeutung, auch gesellschaftlich, weil Familien gerade in dieser ersten Zeit mit den Kindern sehr belastet sind. Ich finde, Familien werden oft zu wenig unterstützt und zu sehr allein gelassen. Wir haben auch nicht mehr das Netzwerk einer Großfamilie oder der Großeltern vor Ort und wir erleben oft, dass vor allem junge Mütter da sehr allein gelassen sind. Und dann freuen sie sich, einen Ort zu finden, wo sie ein bisschen Großfamilien-Ersatz finden“, sagt Leiterin Cordula Weigel.

„Brücken bauen“ um Austausch zu schaffen

Ein wichtiger Aspekt der Arbeit ist das Projekt „Brücken bauen“, das geflüchteten Familien in Lichtenberg Unterstützung bietet. Es fördert Begegnungen zwischen einheimischen, geflüchteten und emigrierten Familien und bietet Sprachangebote für Kinder und Erwachsene. Durch Begegnungsangebote wie Kochen und verschiedene Feste wird versucht, eine integrative Gemeinschaft zu schaffen. Weigel: „Wir haben Sprachgruppen, in denen vor allem Frauen bei uns ihr Deutsch verbessern können, die zwar im Deutschkurs die Sprache erlernen, aber oft zu wenig die Möglichkeit haben, das Sprechen auch zu üben. Und parallel gibt es immer eine Kinderbetreuung, was wir ganz wichtig finden. Denn bei vielen Frauen, die sich gerne bilden und weiterentwickeln wollen, scheitert es daran, dass sie keinen Ort für die Kinder haben. Deshalb sind bei uns die Angebote immer möglichst mit Kinderbetreuung, damit eben auch Frauen die Möglichkeit haben zu lernen.“

Das Familienzentrum hat sich das Ziel gesetzt, eine Verbindung zwischen Menschen herzustellen. Neben Maßnahmen zur Förderung der Sprachkompetenz bietet es zahlreiche weitere Optionen, um Unterstützung zu erhalten oder einfach den Austausch mit anderen Familien zu pflegen. „Wir haben auch ein spezielles Ferienprogramm für Familien mit Ausflügen. Es geht darum, die Stadt kennenzulernen und die Angebote, die es drumherum gibt. Wir bieten ganz viel Beratung an zu allem, was so gebraucht wird. Es gibt eine Sozialberatung, Hilfe bei Anträgen, Papiere ausfüllen, aber auch einen Überblick zu Angeboten für Familien in Berlin. Wo kann man sich Unterstützung holen? Wir beraten dazu, wie man mehrsprachig Kinder erziehen kann. Was braucht es da? Wir beraten Eltern, die herausfordernde Kinder haben, auf Grund einer Einschränkung oder Behinderung. Und wir haben ganz viele Angebote für Alleinerziehende, weil die aus unserer Sicht auch eine Gruppe sind, die besonders belastet ist, oft die Last der Familie komplett allein tragen, kein Netzwerk haben. Hier können sie zum Beispiel die Kinderbetreuung nutzen und dadurch mal ein paar Stunden für sich gewinnen. Aber eben auch Beratung und Unterstützung bei der Organisation des Alltags bekommen“, berichtet Cordula Weigel.

Ein Ort – wichtiger als je zuvor

In der heutigen Zeit, in der Familien oft kaum Unterstützung bekommen, Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen geschlossen werden müssen, weil ihnen die Förderungen gekürzt oder gar ganz gestrichen werden und sich in der Gesellschaft vermehrt falsche stereotypische Bilder von geflüchteten Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund verbreiten, ist das Familienzentrum zu einem wichtigen und notwendigen Ort geworden. Es ist ein Ort, der nicht nur Unterstützung und Beratung anbietet, sondern auch verschiedene Gruppen von Menschen zusammenführt und so einen Austausch ermöglicht, der das Verständnis und die Solidarität in der Gesellschaft stärkt. Das Familienzentrum ist somit ein entscheidender Gegenpol zu den aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und trägt dazu bei, eine inklusive und unterstützende Gemeinschaft zu schaffen. Diese engagierte Arbeit wurde nun durch eine besondere Auszeichnung gewürdigt: Das Zentrum wurde für seine herausragende integrative Arbeit mit dem „Drei-Königs-Preis 2024“ des Diözesanrats des katholischen Erzbistums Berlin ausgezeichnet.

Das Familienzentrum lädt alle Interessierten ein, einmal vorbeizukommen und sich selbst ein Bild zu machen – sei es beim Familiencafé oder zu anderen Zeiten. Neue Gesichter sind immer willkommen, ob Familien, die die Angebote nutzen möchten, oder Menschen, die daran interessiert sind, selbst Angebote zu gestalten. Das Zentrum schätzt die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Helfer*innen und freut sich über neue Ideen zur Verbesserung der Angebote.

Mareike Flägel, Bundesverband

Fotos: Konstantin Börner