An diesem Morgen hat eine große Fünf – umringt von Quietscheentchen – Ellis* Platz am Frühstückstisch geziert. Fünf Jahre, so lange lebt die Neunjährige nun schon in der Dresdner Kinderdorffamilie. Hier werden nicht nur die Geburtstage der Kinder gefeiert, sondern auch die Einzugstage.

„Welche besondere Bedeutung dieses Jubiläum für die Kinder hat, ist mir erst so richtig bewusst geworden, als vor einigen Jahren eine meiner Care Leaverinnen** bei mir anrief“, sagt Kinderdorfmutter Konstanze. „Sie war schon längst ausgezogen, als sie mir am Telefon sagte, dass heute ihr Einzugstag sei und wie wichtig ihr dieser Tag auch heute noch wäre.“

Der Einzug ins Albert-Schweitzer-Kinderdorf markiert für die uns anvertrauten Kinder einen wichtigen Wendepunkt im Leben. Denn die Kinder, die oft aus prekären Verhältnissen kommen, erfahren dann zum ersten Mal in ihrem Leben Geborgenheit, Verlässlichkeit, Struktur und Wärme. Mit der Feier des Einzugstages würdigen die Hauseltern diesen Tag noch einmal gesondert.

„Es geht hier nicht um Geschenke, wie es beispielsweise zu Geburtstagen der Fall ist“, ergänzt die Kinderdorfmutter. „Vielmehr steht ein kleiner Rückblick im Vordergrund. Wir ergründen gemeinsam mit den Kindern Fragen wie: Was habe ich schon geschafft, seit ich hier eingezogen bin? Worauf bin ich besonders stolz? Diese Reflektion ist für die Kinder ganz wichtig.“

Maria Grahl, Kinderdorf Sachsen

* Name zum Schutz des Kindes geändert

** Care Leaver*innen sind junge Menschen, die die Fürsorge durch stationäre Jugendhilfe verlassen. Sie sind in Kinderdörfern, Heimen oder anderen betreuten Wohnformen ganz oder teilweise aufgewachsen und haben häufig keinen oder einen konfliktbeladenen Kontakt zu ihrer Herkunftsfamilie. Ab einem gewissen Alter, oft mit dem 18. Geburtstag, endet die Unterstützung durch die Jugendhilfe und der Weg in die Selbstständigkeit beginnt.

Dieser Text ist auch in der Kinderland-Ausgabe 4/2023 erschienen.