Wo heute Kinder und Jugendliche zuhause sind, die nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können, wollte Dr. Heinz Kerb bereits in den 30er Jahren ein Kinderheim eröffnen – durfte es aufgrund seiner jüdischen Abstammung jedoch nicht. Mehr als 70 Jahre nach seinem Tod wurde der Rosenhof in Neubeuern schließlich zu einem Albert-Schweitzer-Kinderdorfhaus. Zwei Stolpersteine des Künstlers Gunter Demnig erinnern hier künftig an Dr. Kerb und den Arzt Dr. Erich Ephraim Spiegelberg.

Das Albert-Schweitzer-Familienwerk Bayern lädt gemeinsam mit der Initiative „Erinnerungskultur – Stolpersteine für Rosenheim“ für Dienstag, 21. März, 14 Uhr, zur Stolpersteinverlegung nach Neubeuern ein (Pinswang 15 in 83115 Neubeuern). Mit dabei sind neben Geschäftsführer Heiner Koch auch Gemeinde-Bürgermeister Christoph Schneider, der Bildhauer und Künstler Gunter Demnig sowie Christoph Bensch-Andrae und Dr. Thomas Nowotny von der Initiative „Erinnerungskultur – Stolpersteine für Rosenheim“.

Stolpersteine sind Gedenksteine, die an die Menschen erinnern, die im Nationalsozialismus verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Sie werden vor deren letzten frei gewählten Wohnorten in das Gehwegpflaster eingelassen. Eine individuell gefertigte Messingtafel gibt Auskunft über Namen, Alter und Schicksal der Opfer. Der Kölner Bildhauer Gunter Demnig rief dieses Projekt vor 20 Jahren ins Leben. Heute liegen seine Stolpersteine in ganz Europa und erinnern die Menschen daran, sich zu erinnern.

Die Geschichte(n) hinter den Namen

Dr. Heinz Kerb (geboren am 7. August 1883 Berlin, gestorben am 26. Dezember 1938 in Bad Aibling) und Dr. Erich Ephraim Spiegelberg (geboren am 27. September 1877 in Hannover, gestorben am 11. September 1939 in München) waren dem heutigen Kinderdorfhaus Rosenhof in den 30er Jahren in unterschiedlicher Weise verbunden.

Gemeinsam mit seiner Frau Henriette betrieb Dr. Heinz Kerb den „Rosenhof“ in Pinswang. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft verboten die Nationalsozialisten ihnen die Beschäftigung landwirtschaftlicher Lehrmädchen, das Kinderheim durften sie nicht für „arische“ Kinder betreiben. 1933 musste Dr. Heinz Kerb auch seine Steuerkanzlei schließen, weil ihm als „Nichtarier“ die Zulassung als Steuerberater entzogen wurde. Er erkrankte durch die dauernden Attacken, Prozesse und Anfeindungen und verstarb an einer notwendig gewordenen Magen-Operation.

Dr. Erich Ephraim Spiegelberg, Internist und Kinderarzt, lebte ebenfalls zeitweise im Rosenhof. Ihm wurde 1938 von den Nationalsozialisten die Approbation entzogen. Aufgrund der Lebensumstände und der drohenden Internierung in ein Konzentrationslager nahm er sich 1939 das Leben.

Die Anregung, in Neubeuern am Ende doch noch ein Kinderdorfhaus zu bauen, ist der Initiative von Dr. Ruth Kerb, der Tochter von Dr. Heinz Kerb, zu verdanken. Sie stellte der Albert-Schweitzer-Familienwerk Bayern Stiftung ihr Anwesen und Grundstücke zum Bau eines Kinderdorfhauses zur Verfügung. 2005 wurde das Kinderhaus Kerb im Beisein von Dr. Ruth Kerb eröffnet. Nach ihrem Tod erbte das Familienwerk 2010 den Rosenhof. 2016 zogen in das mit Spendengeldern von Grund auf renoviertes Bauernhaus die ersten Kinder ein.

Heute leben hier 19 Kinder und Jugendliche – die selbstverständlich darüber Bescheid wissen, warum vor ihrer Tür künftig zwei Stolpersteine an frühere Bewohner erinnern. Für sie gab es im Vorfeld der Verlegung einen eigenen Informationsnachmittag und die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Birgit Thierer, Familienwerk Bayern, und Sabrina Banze, Bundesverband

Foto: Familienwerk Bayern