Im Rosenhof hat eine junge Kollegin von den Philippinen mitgearbeitet, im Waldkindergarten Mürnsee gehört eine junge Frau aus der Ukraine zum Team und das Kinderdorfhaus im Pegnitztal bekommt demnächst (hoffentlich) Unterstützung aus Indonesien: Das Familienwerk Bayern ist in Zeiten des Fachkräftemangels offen für Bewerbungen aus dem Ausland. Und alle Beteiligten profitieren davon.

Bad Heilbrunn in Oberbayern: Iryna Forostovets ist 20 Jahre alt und in der Ukraine geboren und aufgewachsen. Im November hat sie ihren Bundesfreiwilligendienst im Waldkindergarten Mürnsee begonnen. Dort gibt es derzeit nur ein Kind, dessen Familie ihre Wurzeln in einem anderen Land hat, und auch das gesamte Team stammt aus Deutschland. Berührungsängste gab es dennoch nicht. „Ich wurde unglaublich nett empfangen und meine Kolleginnen helfen mir immer, wenn ich irgendetwas nicht schaffe oder Fragen habe“, freut sich Forostovets, die von ihren Kolleginnen und den Kindern einfach Ira gerufen wird.

„Mir gefällt das Konzept des Waldkindergartens. Die frische Luft und Natur tun gut“, sagt die 20-Jährige. „In meiner Heimat gibt es so etwas nicht. Der Waldkindergarten beginnt in der Ukraine in Omas Garten, wo man mit seinen Geschwistern und Kindern aus der Nachbarschaft spielt.“

Von der Schauspielschule in den Waldkindergarten

In der Ukraine, wo inzwischen seit zwei Jahren Krieg herrscht, hat Iryna Forostovets Schauspiel studiert. Und eigentlich hätte sie ihr Studium in Deutschland gern fortgesetzt und wäre Schauspielerin geworden, „aber hier ist Schauspielerei ein ziemlich instabiler und unsicherer Beruf. Deshalb habe ich mich entschlossen, eine pädagogische Richtung einzuschlagen.“ So bewarb sie sich für den Bundesfreiwilligendienst im Waldkindergarten.

Bürokratische Hürden gab es – auch dank Helga Napierala aus der Geschäftsstelle des Familienwerks – nicht. Nur die Sprache musste sie lernen. Deutschunterricht hatte sie zwar bereits in der Mittelschule: „Wir haben vier Sprachen gelernt und Deutsch war eine davon. Ich würde allerdings nicht sagen, dass ich die Sprache wirklich gelernt habe. Manche Wörter konnte ich natürlich, aber zum Beispiel einen Satz zu bauen war für mich etwas Unmögliches.“ So begann sie in Deutschland noch einmal von vorn, bevor sie ihre Bewerbung abschickte.

Sprachliche Probleme gibt es im Alltag kaum: „Ira spricht schon recht gut Deutsch, sie hat das B1 Level gemacht. Auch im Alltag ist sie stetig bemüht, ihren Wortschatz zu erweitern und zu optimieren“, berichtet Kindergartenleiterin Gerdi Schnittger-Scalas. Schwieriger sei es, sich Autorität zu verschaffen, gesteht Iryna Forostovets, „das dauert ziemlich lange Zeit.“ Die Chefin hat Verständnis: „Ira ist noch recht jung. Für sie ist vieles neu und es war anfangs nicht leicht, eigene Bedürfnisse und Grenzen den Kindern gegenüber klar zu formulieren. Inzwischen geht das schon ganz gut.“

Eine Bereicherung für das Team

Mit ihren Interessen und den Fähigkeiten, die sie mitbringt – das Musizieren und Schauspielern – sei die ukrainische Kollegin eine große Bereicherung für das Team und den Alltag mit den Kindern. „Sie bringt Ideen ein und ist auch bereit, Dinge auszuprobieren. Stück für Stück wächst sie hinein“, so Schnittger-Scalas, die inzwischen häufiger internationale Bewerbungen erhält. Es sei schön, ein so junges Teammitglied zu haben, das mit seiner Sicht auf die Dinge frischen Wind in den Waldkindergarten bringe. „Wir freuen uns auch, wenn Ira zum Beispiel ein ukrainisches Lied mit den Kindern singt und wir alle einmal in eine andere Sprache hineinschnuppern können.“

Iryna Forostovets spielt mit den Kindern, bastelt mit ihnen, hilft bei den täglichen Aufgaben. Neulich hat sie mit einer Gruppe ein kleines Theaterstück geschrieben, eingeübt und dann wurde es vor den anderen Kindern aufgeführt. „Das war sehr schön, unsere Kinder lieben es, sich zu verkleiden und Geschichten zu erfinden“, so Gerdi Schnittger-Scalas. Die Kinder verstünden sich gut mit der jungen Kollegin. „Einer unserer Jüngsten hat sie besonders ins Herz geschlossen, er brachte ihr kürzlich sein Freundebuch mit, damit sie hineinschreibt.“

Nach dem Bundesfreiwilligendienst möchte Iryna Forostovets gern eine pädagogische Ausbildung machen. In Deutschland, auch wenn sie ihre Freund*innen in der Ukraine vermisst. „Es wäre schön, sie auf diesem Weg begleiten zu dürfen“, sagt Gerdi Schnittger-Scalas.

Warten auf grünes Licht aus der Botschaft

Auch im Kinderdorfhaus Pegnitztal im Frankenland soll demnächst eine neue Kollegin ihren einjährigen Bundesfreiwilligendienst beginnen: Evalin Purba, 31 Jahre alt, aus Indonesien.

„Wir hatten schon mehrmals Praktikanten aus dem europäischen Ausland, aber bisher war noch niemand aus einem so weit entfernten Land und einem ganz anderen Kulturkreis dabei“, sagt Hausvater Axel Curschmann. „Aber es ist wahnsinnig spannend und aufregend, wenn sich jemand zu solch einem Schritt entschließt – für alle Beteiligten.“

Noch gibt es jedoch bürokratische Hürden zu überwinden. „Von unserer Seite ist alles vorbereitet“, sagt Personalerin Helga Napierala. „Alle Formalitäten sind erledigt.“ Aber die Botschaft in Indonesien muss noch grünes Licht geben, sonst klappt es nicht mit dem Visum. Napierala: „Wir bleiben dran und drücken die Daumen. Der Fachkräftebedarf ist da. Wir sind offen und bereit, Türen zu öffnen.“ Die Bundesfreiwilligen – zwei sind aktuell im Verein mit seinen rund 190 Mitarbeitenden beschäftigt, dazu kommt eine FSJ-Stelle (Freiwilliges Soziales Jahr) – seien eine tolle Unterstützung und Chance für das Familienwerk, findet die 45-Jährige. Ob sie nun aus der Region kommen oder aus dem Ausland. „Und vielleicht hat der eine oder die andere Lust, langfristig bei uns zu bleiben.“ Napierala kam selbst auf Umwegen zum Familienwerk. Mit 40 Jahren machte sie eine zweite Ausbildung als Bürokauffrau. Davor war sie Zahnarzthelferin.

Alle sind gespannt

Wie gern sie im Kinderdorfhaus mitarbeiten möchte, hat Evalin Purba bereits bewiesen. „Sie hat sich schon einmal bei uns beworben, allerdings waren ihre Sprachkenntnisse damals noch nicht ausreichend genug, als dass sie Alltagssituationen mit den Kindern hätte bewältigen können“, erzählt Axel Curschmann. „Aber beim letzten Team-Treffen mit ihr via Zoom kannte unsere Begeisterung keine Grenzen. Sie hat so sehr an sich und dem Erlernen der deutschen Sprache gearbeitet, einfach großartig! Das hat uns gezeigt, dass ihr diese Stelle mehr als wichtig ist, denn wer gibt sein bisheriges Leben auf für eine vielleicht ungewisse Stelle in einem Kinderhaus im entferntesten Ausland? Jedenfalls sind die Kinder sehr gespannt, wir noch mehr und ich glaube, Evalin am meisten von uns allen.“

Es sei einfach eine großartige Sache, voneinander lernen zu können, meint Axel Curschmann. Ein erstmaliger kultureller Austausch, den es so bisher nicht gegeben hat. „Wir sind davon überzeugt, dass dies ein Weg sein kann, dem Fachkräftemangel und der Skepsis gegenüber anderen Kulturen zu begegnen.“

Sabrina Banze, Bundesverband