Tiere erobern Kinderherzen meist im Sturm – und sind auch in der therapeutischen Arbeit echte Superstars. Durch eine Reittherapie etwa können Kinder gezielt gefördert werden: körperlich, emotional, geistig und sozial. Im besten Fall sind solche Angebote im eigenen Verein möglich, denn sie sind nicht nur effektiv, sondern auch kostenintensiv. Deshalb investiert das Familienwerk Rheinland-Pfalz/Saarland genau an dieser Stelle und finanziert Mitarbeiterin Alina Wagener die Ausbildung zur Reittherapeutin.

Schon als die Heilerziehungspflegerin ihre sieben Schützlinge aus der Wohngruppe in Horhausen einmal mit zu ihrem eigenen Pferd genommen hat, „zu einem kleinen Ausflug mit Kutschtour und Ponyreiten“, hatte das einen spürbaren Effekt auf das Selbstbewusstsein der Kinder. Auf den Rücken von Tinker-Stute Montana, genannt Monti, zu steigen, ihr warmes Fell zu streicheln, von ihr getragen zu werden: „Die Kinder haben es geliebt“, sagt Alina Wagener. „Sie waren sehr stolz auf sich, dass sie sich das trauen. Und auch diejenigen, die anfangs noch etwas ängstlich waren, wollten am Ende gar nicht mehr absteigen.“

Ein Glückstreffer für das Familienwerk

Im vergangenen Jahr kam Alina Wagener über eine Zeitarbeitsfirma zum Familienwerk. „Wir brauchten diese Unterstützung im Sommer dringend, um die professionelle Betreuung der Kinder und Jugendlichen trotz der damaligen Personalnot gewährleisten zu können“, erzählt Geschäftsführer Sebastian Jäger. Alina Wagener war ein absoluter Glückstreffer für den Verein. Sie passte perfekt ins Team und hatte gleich einen Draht zu den Kindern. Jäger überzeugte sie, einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Seit Oktober gehört sie nun fest zum Familienwerk.

„Der Wunsch, eine Reittherapie-Ausbildung zu machen, war bei mir schon lange vorhanden“, sagt Alina Wagener, die zuvor in der Erwachsenenbildung gearbeitet hat und seit ihrer Kindheit regelmäßig im Sattel sitzt. „Ich habe die Chance genutzt, das im Familienwerk direkt offen anzusprechen.“ „Und hat damit bei mir offene Scheunentore eingerannt“, ergänzt Sebastian Jäger. Er ist seit über zwei Jahren Geschäftsführer des Vereins und hat privat bereits erfahren, wie viel die Arbeit mit Tieren bei Kindern und Jugendlichen bewirken kann. Die Selbstwirksamkeit fördern zum Beispiel. „Ich habe es an meiner eigenen Tochter gesehen, die heute längst erwachsen ist.“

Verein finanziert die berufsbegleitende Ausbildung

Alina Wagener freut sich sehr, dass ihr neuer Chef so positiv reagiert hat und das Familienwerk nun die mehrmonatige berufsbegleitende Ausbildung finanziert. „Der Wert von tiergestützter Therapie wird oft nicht berücksichtigt. Das ist hier zum Glück anders!“ Den theoretischen Teil der Ausbildung absolviert die 27-Jährige online. An vier Praxistagen geht es dann in den Stall und auf den Reitplatz. Noch vor September – vor ihrer geplanten Hochzeit – will Wagener ihre Abschlussprüfung ablegen.

Ihre Stute Monti wird jedoch in Zukunft nicht als Therapiepferd für die Kinder eingesetzt werden. Alina Wagener: „Vom relativ weiten Weg zu unserem Stall einmal abgesehen, ist sie dafür nicht geeignet, weil sie doch auch schon mal nervös wird. Das wäre zu gefährlich. Ein gutes Therapiepferd muss auch in Schreckmomenten ruhig und verlässlich bleiben.“

Spenden machen tiergestützte Arbeit möglich

Sebastian Jäger kann sich durchaus vorstellen, dass das Familienwerk perspektivisch ein eigenes Therapiepferd bekommt. „Es gibt bei uns ja auch schon einige Tiere. Hühner zum Beispiel.“ Die Kinder lernen durch den Umgang mit ihnen auch, Verantwortung zu übernehmen. Dankbar ist Jäger nicht nur seiner engagierten Mitarbeiterin für ihre Eigeninitiative, sondern auch den Spender*innen, die die tiergestützte Arbeit mit ihren Zuwendungen ermöglichen.

Für die Kinder, insbesondere für diejenigen mit einer Bindungsstörung, sind diese Angebote unheimlich wertvoll. Sie ermöglichen ihnen neue, vertrauensbildende Erfahrungen und ein Gefühl der Naturverbundenheit, das vielen Kindern aufgrund der großen Präsenz von Medien heutzutage fehlt, helfen dabei, Traumata zu bewältigen, verringern Stress und Aggressionen – und machen sie mutiger.

Sabrina Banze, Bundesverband
Fotos: Konstantin Börner (3) und privat (unten mittig)