Pferde sind in unseren Familienwohngruppen nicht nur treue Freunde, sie werden gezielt als Beistand und Helfer eingesetzt. Sie sorgen dafür, dass die Kinderdorfkinder Verantwortung lernen, an Selbstbewusstsein gewinnen und der schwere Rucksack ihrer bisherigen Lebenserfahrungen ein wenig leichter wird. Insbesondere unsere schwer traumatisierten Kinder können durch eine Reittherapie gezielt gefördert werden – körperlich, emotional, geistig und sozial.

Pferde sind fürsorglich, sie tragen die Reiter*innen und stärken dabei gleichzeitig deren Mut, denn das große Tier muss geführt und gesteuert werden. Pferde nehmen ihre Umwelt sehr sensibel und differenziert wahr, sie reagieren auf kleinste Signale und Stimmungen. Besonders ihre Offenheit gegenüber den Kindern und ihre Geduld machen sie zu einem wertvollen Therapiepartner.

Anton und Taima im bayerischen Kinderhaus Kerb haben eine besondere Ausbildung als Therapiepferde und sind entsprechend geschult im sanften Umgang mit den Kindern. „Wichtig sind vor allem der persönliche Charakter, das Temperament und der Körperbau eines Pferdes“, erläutert Diplom-Sozialpädagogin Irmingard Lochner. „Ein gutes Therapiepferd ist ruhig, freundlich und zuverlässig und zugleich neugierig und gelehrig. Ganz wesentlich ist, dass das Pferd besonders gelassen bleibt, auch wenn es wilde Kinder um sich hat oder auf seinen Rücken gehoben bekommt. Es muss in der Lage sein, viel Trubel und brenzlige Situationen auszuhalten, und trotzdem sensibel für die feineren Signale der Kinder bleiben.“ Außerdem: Das Pferd braucht immer wieder genügend Zeit für Erholung auf der Weide, denn die Arbeit mit den Kindern ist auch für das Tier anstrengend. Der physische und psychische Ausgleich muss sein, damit das Pferd nie aggressiv oder gefährlich wird und die Kinder womöglich verletzt.

In den Kinderdörfern erhalten die Kinder sowohl Gruppen- als auch Einzelstunden in Reittherapie. Das hängt von ihrem jeweiligen Bedarf ab. Auch der Ablauf der Therapiestunden ist sehr individuell – je nach Kind, Bedürfnis und Fähigkeit. Manche Kinder sind erst einmal vollauf damit beschäftigt, sich dem Pferd anzunähern, es womöglich zu streicheln und zu putzen. „Das kann sehr wichtig sein und eine Weile dauern, bis man zum nächsten Schritt geht. Und manche Kinder wollen gleich rauf aufs Pferd. Die müssen lernen, auch auf das Tier einzugehen und erst einmal in Kontakt mit ihm zu kommen“, weiß Irmingard Lochner.

Das Reiten mit dem Gefühl des Getragen-Werdens kann ein nächster Schritt sein, wenn Vertrauen zwischen Mensch und Tier aufgebaut wurde. „Die Zeit mit den Pferden steigert nicht nur die Sozialkompetenz der Kinder. Sie stärkt auch deren Muskelkraft und Gleichgewichtsgefühl“, beobachtet Erzieherin Jana Steiger. Sie begleitet vier Kinder im Erfurter Kinderdorf einmal im Monat bei der Reittherapie.

Kinderdorfmutter Kerstin Fellger aus dem Kinderdorf Waldenburg ist von den Erfolgen der Reittherapie überzeugt: „Einige Kinder waren sehr schüchtern, als sie zu uns kamen, und trauten sich kaum etwas zu. Mit den Pferden zu arbeiten und Fortschritte zu machen, bestätigt sie darin, etwas schaffen zu können, auch in einer Partnerschaft oder in der Kleingruppe. Diese Stärkung zeigt sich im Alltag immer dann wieder, wenn sich die Kinder zunehmend mehr zutrauen“. Sie konzentrieren sich besser und lernen Geduld und Ausdauer – Schlüsselqualifikationen für ihr späteres Leben.

Maria Grahl, Christin Schönfuß, Irmingard Lochner und Kerstin Fellger aus den Albert-Schweitzer-Kinderdörfern sowie Mone Volke