„Ich gründe auch ein Kinderdorf“, verkündete Margarete Gutöhrlein 1956 auf dem Bahnhof von Schwäbisch Hall-Hessental, als sie von dem Besuch eines Kinderdorfes in Österreich zurückkehrte. Mit 73 Jahren begann sie voller Tatendrang ein Projekt, das ihr Lebenswerk bilden sollte.

Zu dieser Zeit konnte Margarete Gutöhrlein schon auf eine faszinierende Lebensgeschichte zurückblicken. Die gebürtige Berlinerin, Jahrgang 1883, hatte sich ihr Leben lang nie von den Grenzen des traditionellen Frauenbildes ihrer Zeit beeindrucken lassen.

Auf nach Hollywood

Neben ihrer Tätigkeit als Ehefrau und Mutter widmete sie sich in Berlin auch ihren künstlerischen Interessen und ließ sich am Deutschen Theater zur Schauspielerin ausbilden. Ihre Begeisterung für Film und Theater übertrug sich auch auf ihre drei begabten Töchter, deren tänzerische Ausbildung sie förderte.

Mit ihrem dritten Ehemann Georg Gutöhrlein, der die Wildbadquelle in Schwäbisch Hall erworben hatte, zog sie nach Schwäbisch Hall. In den späten 1920er und frühen 1930er Jahren managte Margarete Gutöhrlein die Karriere ihrer Töchter Eleanor und Karla, die als Varietétänzerinnen „Sisters G.“ erfolgreich waren, und begleitete sie auf ihren Reisen durch Europa und die USA. In Hollywood spielten die „Sisters G.“ in Musical- und Comedyfilmen mit und lernten Filmgrößen, wie Greta Garbo und Charly Chaplin, kennen.

Mit Herz und Temperament im Einsatz für Notleidende

Die Wirren der letzten Kriegsmonate verbrachte Margarete Gutöhrlein – ihre Mutter war Jüdin – mit Hilfe der Freifrau von Stetten versteckt auf dem Dachboden des Schlosses. 1945 leitete Margarete Gutöhrlein zwei Jahre lang das Rote Kreuz in Schwäbisch Hall und engagierte sich unermüdlich für die Not der Waisen, Flüchtlinge, Vertriebenen, heimkehrenden Soldaten und die Suche nach vermissten Angehörigen.
Ihre Mutter beschrieb Tochter Inez folgendermaßen: „Sie konnte sehr temperamentvoll ihre Ideen zu Wort bringen und ging ohne Hemmungen bis in die höchsten Instanzen auf ihr Ziel, ein Kinderdorf zu gründen zu.“ In kurzer Zeit hatte Margarete Gutöhrlein für ihren Plan, ein Zuhause für Kinder gleich welcher Religion und Herkunft zu gründen, zahlreiche Unterstützer in der Region gefunden. In dem Waldenburger Bürgermeister Franz Gehweiler fand sie einen wichtigen Fürsprecher, der 1956 dem künftigen Kinderdorf ein Baugelände zur Verfügung stellte. Ein Jahr später gelang es ihr, Albert Schweitzer persönlich als Namenspaten zu gewinnen. So konnte am 11. Dezember 1957 in Schwäbisch Hall der Albert-Schweitzer-Kinderdorf e. V. gegründet werden.

Die Vollendung ihres Lebenswerkes erlebte sie nicht mehr. 1958 starb sie an einem Herzinfarkt. Ihrem Mann Georg Gutöhrlein hatte sie das Versprechen abgenommen, die Pläne für das Kinderdorf umzusetzen. Im Herbst 1960 wurden die ersten Kinder aufgenommen und seitdem haben über 500 Kinder hier ein neues Zuhause gefunden. Das Konzept fand schnell Zuspruch, so dass heute bundesweit zehn selbständige Albert-Schweitzer-Kinderdörfer und Familienwerke existieren.

Hinweis

Ausführliche Informationen zu Margarete Gutöhrlein finden Sie in der Broschüre „Eine Frau, die sich was traute“ von Elke Däuber und Doris Müller, die wir Ihnen gerne zuschicken oder als PDF auf der Homepage www.albert-schweitzer-kinderdorf.de.

Hier bauen wir ein Kinderdorf

Magarete Gutöhrlein zeigt, wo das Kinderdorf entstehen soll

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Die Gründerin liebte und engagierte sich für Kinder